Wenn
jemand aus Witterungsgründen zu spät zur
Arbeit kommt, muss dann für die
Verspätungszeit Lohn gezahlt werden?
Nein. Der Lohn ist eine
Gegenleistung für Arbeit. Ohne Arbeit
gibt es keinen
Lohn. Ausnahmen gelten unter anderem für
Urlaub und Arbeitsunfähigkeit. Paragraf
616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
regelt zwar, dass ein Arbeitnehmer, der
"durch einen in seiner Person liegenden
Grund ohne sein Verschulden" der Arbeit
fernbleibt, für eine kurze Zeit weiter
Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Doch
wenn er wegen Schneefall oder Glatteis
zu spät zur Arbeit kommt, liegt ein
objektiver Grund für die Verspätung vor
– und kein "in seiner Person" liegender.
Das gilt genauso bei Hochwasser,
Demonstrationen, allgemeinen
Verkehrssperren, Fahrverboten oder auch
bei Streiks in Verkehrsbetrieben. All
dies gehört zum allgemeinen Wegerisiko
des Arbeitnehmers.
Was können
die betroffenen Arbeitnehmer dagegen
tun?
Sie müssen versuchen, die
Arbeitsstelle trotzdem pünktlich zu
erreichen. Gegebenenfalls sollten sie
den Wecker eine halbe Stunde vorstellen
und auf öffentliche Verkehrsmittel
umsteigen. Das hat das
Bundesarbeitsgericht (BAG) schon am 8.
Dezember 1982 klargestellt. Damals ging
es um einen Bergbauarbeiter, der wegen
Glatteis seine Schachtanlage nicht
erreichen konnte. Das sei "höhere
Gewalt", befand das BAG. Das bedeutet:
Der Arbeitgeber ist in diesem Fall aus
dem Schneider, sprich: nicht zur Zahlung
on Lohn verpflichtet.
Kann der
Arbeitgeber witterungsbedingte
Verspätungen auch sanktionieren?
Bei einem kurzfristigen
Wintereinbruch oder wenn es wegen eines
Unfalls zum Verkehrschaos kommt, mit
Sicherheit nicht. Aber grundsätzlich
müssen sich Arbeitnehmer auf die
Witterungssituation einstellen und
entsprechend Vorsorge treffen. Mit
anderen Worten: Am dritten oder vierten
Tag zieht die Entschuldigung "Wegen
Glatteis und Schnee konnte ich nicht
rechtzeitig kommen" nicht mehr. Wer dann
noch immer zu spät zur Arbeit kommt,
riskiert möglicherweise eine Abmahnung.
Wenn es mit der Pünktlichkeit
witterungsbedingt nicht klappt, kann der
Arbeitgeber im Prinzip auch den Lohn
kürzen oder die verpasste Arbeitszeit
muss nachgearbeitet werden – wenn das im
Betrieb möglich und für den Arbeitnehmer
zumutbar ist. Das gilt natürlich nicht,
wenn er zu Hause eingeschneit ist und
wirklich nicht (rechtzeitig) zur
Arbeitsstelle gelangen kann.
Was gilt,
wenn die Schule oder der Kindergarten
winterbedingt geschlossen wird?
Wenn die Kinderbetreuung dann nicht anders zu regeln ist, darf in solchen Fällen ein Elternteil der Arbeit fernbleiben, was natürlich der Firma unverzüglich mitgeteilt werden muss. Der Arbeitgeber ist dann nach Ansicht zahlreicher Juristen verpflichtet, den Lohn fortzuzahlen. Hier greift – anders als wenn der Arbeitnehmer selbst witterungsbedingt nicht oder zu spät zur Arbeit kommt – der oben erwähnte § 616 BGB. Denn der Grund für die Arbeitsverhinderung liegt „in der Person des Arbeitnehmers“. Schließlich braucht sein eigenes Kind Betreuung. Dies ist – so sieht es beispielsweise Rechtsanwalt Jörg Brodbeck aus Seligenstadt – „bei der streikbedingten Schließung einer Kita der Fall, aber auch bei persönlichen Unglücksfällen, unaufschiebbaren Arztbesuchen, Wahrnehmung von öffentlichen Ehrenämtern, im Katastrophenschutz oder bei Geburt, Heirat, Tod und bei einer Schließung der Kita aus Witterungsgründen“.
Anzumerken ist dabei,
dass Arbeitgeber dies zum Teil anders
sehen dürften. Soweit es in bestimmten
Regionen zu witterungsbedingten (oder
auch streikbedingten) Schließungen von
Kindergärten oder Kindertagesstätten und
im Zusammenhang damit zu Fehlzeiten von
Arbeitnehmern kommt, ist es für
Arbeitnehmer immer von Vorteil, wenn es
hierzu entsprechende betriebliche
Vereinbarungen gibt, die durch den
Betriebsrat ausgehandelt wurden.
Welche
Regelungen gelten bei
witterungsbedingten Unfällen auf dem Weg
zur Arbeit?
Nichts anderes als sonst
auch. Falls der Unfall auf dem direkten
Weg zur Arbeit stattgefunden hat, gilt
er als Arbeitsunfall und ist ein Fall
für die Berufsgenossenschaft. Diese
kommt für die Behandlungskosten auf und
zahlt gegebenenfalls auch eine
Verletztenrente. Bei Schnee und Glatteis
sind unter Umständen auch Umwege
mitversichert, die erforderlich werden,
weil der übliche Arbeitsweg schlecht
passierbar oder zu gefährlich (etwa zu
steil) ist.
Was
passiert, wenn die Arbeit überhaupt
nicht stattfinden kann, weil es zu
größeren Störungen des Betriebsablaufs
kommt?
Das ist Problem des
Arbeitgebers. Nach der
Betriebsrisiko-Lehre und Rechtsprechung
gehören Störungen des Betriebsablaufs,
die es Arbeitnehmern unmöglich machen,
die Arbeitsleistung zu erbringen, zum
Risiko, das der Unternehmer zu tragen
hat. In diesen Fällen muss der Lohn auch
ohne Arbeitsleistung weitergezahlt
werden. Das gilt übrigens auch, wenn in
einem Betrieb im Winter die Heizung
ausfällt und die Arbeit kältebedingt
unzumutbar wird. Auch hier hat das BAG
entschieden, dass es sich um einen
typischen Fall des Betriebsrisikos des
Arbeitgebers handelt.